Grenzen der Meinungsfreiheit

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert uns, dass wir unsere Meinung „in Wort, Schrift und Bild frei äußern und verbreiten“ dürfen. Das ist gut so. Aber: wenn das ganze nach meiner Ansicht nicht seine Grenzen hätte, bräuchte dieser Betrag nicht so überschrieben zu sein. Doch es handelt sich nur um eine persönliche Ansicht. Also bitte lieber Leser: im Zweifel wie immer mehrere Quellen zu Rate ziehen. Letztlich schreibe ich den Beitrag, um mir selbst die ganze Thematik „Grenzen der Meinungsfreiheit“ und damit verbundene Schwierigkeiten beim kritischen Publizieren im Internet etwas zu verdeutlichen und einen Wunsch an die Politik von morgen zu formulieren.

Tatsachen sind keine Meinungen

Tatsachen müssen objektiv belegbar sein und wenn sie das eben nicht sind und nicht der Wahrheit entsprechen, besteht z.B. nach dem §14 Mediendienstestaatsvertrag (bzw. wohl bald nach dem Telemediengesetz) ein Anspruch auf Gegendarstellung. Anspruchsgrundlage zumindest für den Schadenersatz ist vermutlich §824 BGB Kreditgefährdung.

Man darf also nicht die Unwahrheit behaupten. Und das ist ja auch gut so. Das ganze heisst ja auch Meinungsfreiheit und nicht Behauptungsfreiheit.

Meinung ist nicht gleich Meinung

Man darf aber auch nicht alles meinen bzw. eben doch nicht alles öffentlich sagen, was man meint. Denn es gibt den Tatbestand der Schmähkritik. Und wenn es das nicht ist sondern als Satire gemeint war, muss das deutlich kenntlich gemacht werden. Übrigens muss man hier wohl auch als Betreiber von Diskussionsforen vorsichtig sein, denn man hat nach §11 TDG immer auch ein bisschen Verantwortung für das was in seinem Forum von anderen geschrieben wird.

Wenn jemand negative Ansichten über Unternehmen äussert, ist das eine „Beeinträchtigung des eingerichteten Geschäftsbetriebs“ und auch nicht erlaubt. Wenn diese Meinung von einem Wettbewerber kommt, kann das auch als unlauterer Wettbewerb mit dem Unterlassungsanspruch nach dem §1 UWG ausgelegt werden. Weil es gegen die guten Sitten verstösst, wenn man seine Mitbewerber schlecht macht.

Wir sehen: es wird kompliziert und gibt täglich Arbeit für Richter und entsprechend vermutlich auch viele verschiedene Meinungen, denn Richter sind nichts anderes als Menschen. Es muss unterschieden werden zwischen individuellen Wertvorstellungen und Schmähkritik. Das zeigen auch die vielen Urteile, die es zum Thema negative Bewertungen bei ebay gibt.

Kann es letztlich darauf hinauslaufen, dass man keine kritischen individuellen Wertvorstellungen äussern darf, weil es so ausgelegt werden kann, dass man das nur tue, um dem anderen zu schaden?

Wenn das alles zumindest ungefähr im Sinne des Gesetzgebers richtig interpretiert ist, dann frage ich mich (wie eigentlich täglich): Wann lernen wir endlich (wieder), dass es unbedingt notwendig ist, immer und bei jeder Aussage vor unserem eigenen Urteil auch andere Meinungen zu hören?

Das ist ohnehin schon wichtig aber noch wichtiger seit wir das Internet haben, wo jeder Meinungen und Ansichten schnell, einfach und kostengünstig publizieren kann. Es wird ja auch ein Haufen Müll publiziert (Achtung, persönliche Ansicht). Es ist aber auch gut, dass die (kritische) Äusserung im Internet so einfach ist. Denn so wird der Markt der Informationen (wie auch alle anderen Märkte durch das Internet) immer vollkommener. Und je vollkommener ein Markt ist, desto weniger Störungen (also Eingriffe von aussen) sind nötig, weil das Marktgleichgewicht sich von selbst einstellt. Vor dem Internet gab es doch lediglich ein paar Informationsmonopolisten (bzw. natürlich Oligopolisten).

Wer die Prämissen des vollkommenen Marktes ungefähr im Kopf hat, wird der Argumentation vermutlich folgen können. Für alle, die sich noch nie mit Volkswirtschaft beschäftigt haben: durch die einfache Möglichkeit, nahezu ohne grosse Kosten und Zeitverzögerung auf jede Meinung zu reagieren, die auf der Welt über einen verbreitet wird, ist es möglich, Meinungen durch Gegenargumente oder eigene Ansichten zu relativieren. Und dann kann auch die eine oder andere Auseinandersetzung vor Gericht entfallen.

Man kann sicher nicht alles mit Marktmechanismen argumentieren und es muss auch sicherlich das eine oder andere Mal ein Richter an die Arbeit. Aber man kann ja wohl auch der Ansicht sein, dass bei Auseinandersetzungen vor Gericht regelmässig der gewinnt, der entweder das längere Durchhaltevermögen hat oder eben die besseren Anwälte. Vielleicht kann man das auch als Tatsachenbehauptung stehen lassen – doch das lasse ich mal lieber. Ich werde mich weiterhin vorsichtig äussern und zumindet immer darauf hinweisen, dass es sich um meine private unmaßgebliche Meinung handelt, wenn ich denn etwas meine.

Aber ich hoffe, dass ich das irgendwann mal nicht mehr muss. Denn mein Wunsch an die Politik ist vor allem, dass Sie die Mündigkeit der Bürger wieder mehr anerkennt. Der Mensch soll wieder mehr gefordert werden, die Bevormundung aufhören. Ich sage nicht, dass es leicht ist, die Richtung zu wechseln, aber es muss ja nicht immer alles leicht und einfach sein.

Update: […] Klowänden des Internets. (Was berechtigt eigentlich jeden Computerbesitzer, ungefragt seine Meinung abzusondern?…“ […] Dieser Satz wird Jean-Remy von Matt zugeschrieben. Wenn das Tatsache ist und ich die Aussage richtig interpretieren sollte, scheint auch die Firma Jung von Matt gegen die Meinungsfreiheit zu sein. Update 2: Jetzt hab ich das ganze zu Ende gelesen und komme zu dem Schluss: Für Herrn von Matt spricht, dass er sich dafür entschuldigt hat. Besonders gut finde ich, dass er sagt, was alle wissen. So laufe es in der Werbewirtschaft: „Jedes Wort wird vor der Veröffentlichung lange abgewogen, mit Auftraggebern verhandelt und dann noch repräsentativ auf seine Wirkung getestet.“ Ich hoffe doch mal, dass seine Entschuldigung nicht auch in diese Liga gehört. Allerdings ist meine Hoffnung nicht so besonders gross. Sorry.

Nachtrag: Ein Beispiel für Satire mit Abmahnung.

11 Gedanken zu „Grenzen der Meinungsfreiheit

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  3. Androsch

    Danke für diese ausgewogene Darstellung und für die Forderung, die Mündigkeit der Bürger stärker anzuerkennen. Wir haben genug staatliche Bürokratie und Bevormundung und sollten uns wieder mehr auf uns selber verlassen, statt immer nach dem Staat zu rufen.

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